Worum geht´s hier eigentlich?

Aktuell geistert auf allen Kanälen die Aussage von Vincent Peters durch die Gegend:

„Do you want to impress or do you want to express?“

Willst Du andere beeindrucken oder willst Du Dich ausdrücken?
Ich gebe zu: Jahrelang wollte ich andere beeindrucken. Und auch heute noch find ich´s geil, wenn andere das geil finden, was ich mache – natürlich ist das so! Der Mensch funktioniert gleichermaßen durch Lob und Kritik.

Allerdings hinterfrage ich seit längerem mein fotografisches Schaffen. Und es werden (schöne) Stimmen lauter, die sagen: „Ich find´s gut, dass Du auch andere Dinge machst und zeigst!“.

Heute morgen hörte ich dann auf dem Weg zur Arbeit den Podcast meines Freundes Tom Stöven mit seinem Gast Moe Moschokarfis, den ich bis dato nicht kannte, mich aber mit seinen Erzählungen mitten ins Herz traf.
Hier könnt Ihr den Podcast hören:
https://open.spotify.com/episode/4QsDSjdzlcPWv9G4xNnRZJ?si=6f5ce42fa2a14dcf

Moe erzählt, dass sein Vater letztes Jahr in Griechenland verstorben ist. Während er das so erzählt, hört man wie seine Stimme wackelig ist und dass er mit sich zu kämpfen hat.
Weiterhin erzählt er, dass er allein nach Griechenland gefahren ist, um sich um die Angelegenheiten zu kümmern, die nach dem Tod eines nahen Verwandten anfallen – und dabei hat er immer seine Kamera dabei.
Er dokumentiert seine Tätigkeiten fotografisch analog, entwickelt abends die Filme und hat sich so einen Weg der Verarbeitung geschaffen.
Das ist eine Sache, die mich an Moe und an der Podcastfolge fasziniert hat.

Die andere Sache ist: Moe macht fotografisch einfach gefühlt und er sagt´s auch selbst: ALLES!
Fashion, Portraits, Familien, Autos, Auftragsarbeiten ab und zu mal ein bißchen Street…
Früher dachte und sagte ich immer und wurde mir gesagt: „Du musst Dich spezialisieren, sonst wirst Du nicht gut in Deinem Genre!“
Heutzutage weiß ich:
Das ist ziemlicher Quatsch!
Meine These lautet: „Fotografier´ alles, worauf Du Bock hast und Du wirst in Deinen bevorzugten Genres besser!“

Aktuell habe ich VOLL Bock auf Street – und merke, wie schwer es ist, gute Street-Fotografie zu machen.
Street-Fotografie, die sich eher auf Menschen bezieht als auf Formen oder Farben.
Da kommen so viele Faktoren zusammen: Erstmal muss man sich trauen, damit habe ich weniger ein Problem. Aber das Sehen, für sich im Kopf ein Bild komponieren und das dann auch noch umsetzen – das ist wirklich nicht einfach.

(Genau hinsehen…)

Ich werde in diesem Leben kein Street-Fotograf mehr, das überlasse ich anderen, die das definitiv besser können als ich!
Aber diese Art der Fotografie hilft mir bei meiner Portraitfotografie, schnellere Entscheidungen zu treffen, schneller zu „sehen“ und eben Portraits auch ein wenig mehr street-lastig zu gestalten – letzteres find´ ich ja schon seit längerem ganz schön geil!

Auch hier hab´ ich das Rad nicht neu erfunden, Lindbergh hat´s ja auch schon so gemacht… aber ich find´s geil, also mach ich´s!

Aber es müssen ja auch nicht immer nur (schöne) Frauen sein.
Bevor das Fingergezeige jetzt wieder losgeht: Natürlich schaue ich mir gute Fotos von (für mich) attraktiven Frauen weiterhin gern an!
Jedoch… selektiver. Auch mit einem anderen, fotografischen Blick.
Ich bekam zu meinem 40sten Geburtstag letztes Jahr von einem wunderbaren Menschen einen wunderbaren Bildband geschenkt:
“HÔTEL NOIR” von J. Konrad Schmidt.

(Die untere Fotografie aus dem Buch habe ich von Lomography.de)

Der Großteil der Bilder in diesem Buch bildet meine Phantasien ab.
Ich habe Anfang des Jahres in einer meiner Podcast-Folgen gesagt, dass diese „Schöne Mädchen auf einem Feldweg – Fotografie“ nichts mehr für mich ist, sowohl als Konsument, als auch als Fotograf nicht.
Veränderung macht erstmal Angst, das ist normal.
Man selbst denkt: „Mir folgen ein paar treue Leute, was denken die denn jetzt, wenn ich auf einmal Street oder Landschaften poste?“
Und die Betrachter denken: „Hä wie jetzt? Erst Portraitfotograf und Workshop-Heini, jetzt Street oder Landschaften?“.

Landschaften beeindrucken mich stellenweise genau so sehr wie es Menschen tun.
Und ich fotografiere sie doch sowieso, warum also nicht auch mal zeigen?
Bin ich deswegen weniger Portraitfotograf? Sicher nicht.
Sondern fotografiere ich nicht schlichtweg das, was ich schön finde oder was etwas mit mir macht, egal was es ist? Ja.
Und ich setze den gleichen Qualitätsanspruch bei Street oder Landschaft an mich wie bei Portraits auch.

Tom und Moe erinnerten mich ebenso daran, dass ein Foto nicht einfach nur ein Foto ist, sondern häufig mit Erinnerungen zusammenhängt.
Manchmal ist das bei Portrait-Shootings auch so, ja. Aber mal ehrlich: Wie viele dieser Shootings vergessen wir schlichtweg kurz nach dem Tag, weil die Bilder sowieso nur für Insta gemacht werden und das Modell, egal ob männlich oder weiblich, für uns Mittel zum Zweck der Umsetzung unserer Idee war?
Auch das ist weder schlimm noch verurteilenswert.
Aber ich möchte nicht nur Bilder von „irgendwelchen“ Modellen für Instagram machen.

Anatol Kotte. Kein Model (also… Teilzeit), aber auch Fotograf.
Vergangenes Jahr war ich mit „Einstein“ in Hamburg und unter anderem bei Anatol zu Gast.
Ein großartiger Gesprächspartner, Gastgeber und Kollege!
Kann man auch mal fotografieren!


Letztes Jahr durfte ich in den Abendstunden am Flughafen Düsseldorf fotografieren.
Warum ich überhaupt auf die Idee gekommen bin?
Weil ich die Geräusche von Flugzeugturbinen und den Geruch von Kerosin mag. Das sind, wahrheitsgemäß, die Hauptgründe für meine Anfrage an den Flughafen Düsseldorf gewesen.
Dazu kommt tatsächlich, dass meine Mutter die komplette Flughafenatmosphäre liebt und ich ihr, während ich dort war, sicher 50 Selfies geschickt habe!
Hatte also auch einen persönlichen Touch!
Und meine Mama ist auch ein bißchen stolz, dass eins meiner Fotos nun am Flughafen Düsseldorf hängt – in ca. 5 x 2 Metern Größe!

Übrigens war die Firma Leica so freundlich, mir für diesen Auftrag eine Leica SL irgendwas zur Verfügung zu stellen! Ziemlich geile Kamera. Aber ich habe mir vorgenommen, nicht mehr so viel über Schießeisen zu philosophieren. Ist wie mit Pfannen: Wichtig ist, dass Du braten kannst.

Reinhold Messner.
Damals noch mit meiner alten Canon 6D.
Warum? Weil er der Held meiner Kindheit ist. Jemand, den ich zutiefst bewundere.
Wie kam das zustande? Ich hab´ einfach gefragt.

Clem(ent), Bassist von Arkangel und Hangman´s Chair.
Seit den Teenager-Jahren gehe ich auf Konzerte, hauptsächlich von Hardcore-, Punk- & Metal-Bands.
Meine soliden Konzertfotos ermöglichen mir inzwischen Bands zu fotografieren, zu denen ich lange Jahre aufgesehen habe, von denen ich schlichtweg Fan war und nach wie vor bin.

Die Verbindung aus Fahrzeug und Ort, an dem es steht, spricht für sich. Ich wollte aber vor allem einfach ein cooles Foto machen!
Ist´n Auto. Auf meinem Parkplatz.
Bedeutet mir aber eine ganze Menge! Danke Chris!

Wie man sieht, fotografiere ich alles, was ich schön finde UND wo ich einen Bezug dazu habe.
Es gibt hier kein „oder“. Der Bezug MUSS inzwischen für mich da sein! Entweder in der Art, WIE ich ein Bild mache oder in dem WAS, das von mir abgebildet wurde.

Um auf den Anfang dieses Beitrags zurück zu kommen:
Ich danke Euch dafür, lieber Moe und lieber Tom, mich daran zu erinnern, dass Menschen und Dinge endlich sind.
Freunde & Familie kommen und gehen, Landschaften verändern sich, Bands lösen sich auf, Möglichkeiten verschwinden.

Das ist mein Papa, inzwischen 75 Jahre alt.
Und ich habe ihn bei der Tätigkeit fotografiert, die ihm am meisten Freude bereitet und seinem Leben einen Sinn gegeben hat.
Scheißegal ob irgendjemand sonst dieses Bild gut findet –
Für mich ist es unbezahlbar!

Fotografiert das, was Euch interessiert. Was euch berührt.
ABER gebt Euch Mühe!
Glaubt mir: Das macht mehr Spaß, als immer das Gleiche zu machen!

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