In unserer letzten, neuesten Podcast-Folge bezeichnete ich den Freund und Kollegen Micha Will als „Streetfotografen“, woraufhin er ein wenig relativierte und den Begriff „Alltagsfotograf“ in den Ring warf.
Seit der Podcastaufnahme beschäftigt mich dieser Begriff und ich frage mich, ob das „Alltag“ darin negativ, gar gleichgültig klingt oder ob es eigentlich das beschreibt, was ich als Fotograf gern sein würde…
„Alltag“ klingt ja erstmal wie etwas, das täglich wiederkehrend ist, an das man sich gewöhnt hat und möglicherweise sogar einen gewissen Grad an Langeweile mit sich bringt.
Menschen beschweren sich über Ihren Alltag, über Ihre tägliche Arbeit, die eingefahrenen Strukturen und das sich-immer-wiederholende zwischen Montag und Freitag. Schlimmstenfalls sogar auch noch Samstag und Sonntag.
Wir alle kennen Menschen, deren Leben so (scheiße) langweilig, eintönig und wiederkehrend ist, dass sie sich nach dem kommenden Wochenende sehnen. Und dann? Saufen, Bundesliga oder Dart WM gucken und „bißchen auf der Ollen abhängen!“ (Zitat – nicht von mir!!!).
Ganz ehrlich: Ich würde mich mit Benzin übergießen und anzünden, wenn ich so ein Leben führen müsste!
Aber sind wir nicht alle selbst verantwortlich dafür, dass sich ein Montag nicht anfühlt wie eine Wurzelbehandlung ohne Betäubung? Oder dass die Bundesliga das wirklich einzige ist, worauf man sich am Wochenende freuen kann?
Natürlich sind wir das!
Mein Kollege Ludger sagt immer so schön: „Neugierig bleiben!“. Das bedeutet aber auch, dass man Neues ausprobiert. Mal was anderes kocht als immer nur Nudeln. Wobei… nichts gegen Nudeln, denn wir alle wissen ja: „Die Nudel ist ein Ganztag!“ und wer das jetzt nicht verstanden hat: Ab in die Ecke und schämen, aber sowas von!
Vielleicht auch mal ein anderes Hobby ausprobieren, als immer nur Fußball gucken oder mit den Jungs saufen & darten.
Und für uns als Fotografen: Vielleicht auch mal andere Bilder ausprobieren, mal andere Genres konsumieren und versuchen.
Ich finde, meine Fotografie ist nicht nur die, die bei mir bei Insta in der Beschreibung steht.
Ja, ich bin vorrangig Portraitfotograf und das mache ich wirklich gerne!
Aber… ich gehe mit einem fotografischen Blick durch meinen Alltag. Mein Alltag besteht auch aus Arbeiten, Vater-Dasein, sozialen Interaktionen und Dingen wie Hausarbeit und sowas.
Allerdings haben mich Micha, meine Tochter und eine wundervolle, Dortmunder Fotografin daran erinnert, wie schön der Alltag als Fotograf sein kann – wenn man nur sehen WILL.
Gerade die beiden letztgenannten haben mir einerseits durch Ihre Bilder, andererseits aber auch durch Ihr begeistertes „PAPA, GUCK MAL!“ gezeigt, wie schön alltägliche, normale Dinge fotografisch sein können!
Und gerade dort, wo ich mich als Fotograf selbst vielleicht nicht unbedingt sehe, habe ich wirklich wunderschöne Bilder entdeckt. Und ich hatte Freude, diese Bilder zu machen!
UND diese Bilder haben mir AUCH gezeigt, wer vor allem etwas von diesen Bildern haben muss: Ich selbst! Nicht Instagram, nicht unbedingt das Model, sondern vor allem ich selbst!
Hab´ jetzt jedenfalls wieder häufiger meine Kamera im Alltag mit dabei… Danke Micha! 🙂






Du hast das wirklich wunderbar in Worte gefasst und die Bilder, welche du dazu gepackt hast treffen exakt den Nerv dessen, was du so wunderbar reflektiert hast.
Mein Lieblingsauthor schrieb einst (frei zitiert), dass man auch als Erwachsener das Leben durch die Augen eines Kindes wahrnehmen sollte.
Schau in die Augen eines Kindes, das zum ersten Mal eine Biene sieht.
Das Kind sieht dieses schwarz-gelbe Ding herumwuseln und hört das Summen. In den Augen des Kindes wirst du Erstaunen für das Unbekannte, Faszination und Neugier entdecken. Das Kind denkt nicht dran „ach schon wieder eine Bine, und bloß aufpassen, weil die sticht“. Nein, dass ist dem Kind fern.
Betrachte die Dinge aus den Augen eines Kindes und du wirst selbst in Situationen, die dir früher als „bereits bekannt“ vorgekommen wären neues und viel tolles entdecken.
Liebe Grüße,
Micha
Schön, dass sich aus einem einfachen Begriff in Deinem Podcast, so ein toller Beitrag entstanden ist. Beziehungsweise das er anregt zum nachdenken und man sich selber reflektieren kann.
So banal wie es sein mag, aberAlltagsfotografie ist eine wunderbare Möglichkeit, scheinbar unscheinbare Momente und Orte festzuhalten, die im Laufe der Zeit an Bedeutung gewinnen können. Straßen, Gebäude oder kleine Details, die uns heute selbstverständlich erscheinen, erzählen in 20-40 Jahren vielleicht eine faszinierende Geschichte über unsere Lebensweise, Architektur oder den Wandel unserer Umgebung. Sie macht Vergängliches unvergessen und schenkt zukünftigen Generationen einen authentischen Einblick in unsere Zeit. Viele berühmte Fotos aus dem letzten Jahrhundert sind doch Alltagsszenen. Man nehme doch nur mal die Fotos von Oskar Barnack. Fotos vom Hochwasser in Wetzlar, Spaziergang der Familie Leitz/Barnack. Foto vom Eisenmarkt…. alles Fotos aus dem Alltag.
Alleine wie sich mein Heimatdorf in den letzten 40 Jahren verändert hat. Wäre froh, Fotos von diesem Wandel zu betrachen.
Robin…mein lieber Freund…Das hast Du wundervoll geschrieben. Was mir dazu einfällt ist, dass ich seit Mitte Dezember 2024 viele „alltägliche“ Dinge oder Situationen fotografiere, um mich so besser kennen zu lernen. Ich habe gelernt im JETZT zu sein und das JETZT mit voller Wucht wahrzunehmen und zu genießen und letztendlich zu fotografieren. Diese Bilder wird nie ein Mensch sehen, aber ich bin schon Jahre nicht mehr so glücklich und zufrieden mit mir selbst gewesen wie ich es heute bin. Im Alltag, im Jetzt spielt unser Leben, nicht in einer gewünschten oder ausgedachten Zukunft. Die Gegenwart ist das was ist. Die Schönheit umgibt uns die ganze Zeit. Das zu fotografieren bezeichne ich gerne mit „Alltagsfotografie“.
Danke Micha für diesen Ausdruck, für das schöne Gespräch mit Euch/Dir und das mir mal wieder einmal mehr die Kraft der „Alltagsfotografie“ klar geworden ist.
Fühlt euch gedrückt.
Tom
Alltagsfotografie ist ein guter Begriff. Er ist weiter als Street, er ist weniger verbunden mit der technischen Perfektion in der Landschaftsfotografie, er kommt mehr von innen, als dass es auf die äußere Wirkung ankommt. Er setzt nicht herab, grenzt nicht ein oder aus und überläßt es jedem Einzelnen, es mit Leben zu erfüllen. Danke für diese Inspiration.